AKTUELLE TRENDS IM PROFIFUßBALL – Die Zusammenfassung der 6. Fußballökonomie-Konferenz

Steht der Fußball vor einer Revolution? Kommt die europäische Superliga, in der die Top-Klubs Europas weitgehend unter sich bleiben? Und was ist vom neuen TV-Vertrag für die Bundesliga-Übertragungsrechte zu erwarten, die im kommenden Jahr neu ausgeschrieben werden? Dies waren die Fokus-Themen der 6. Konferenz „Fußball & Ökonomie“ am 15. August 2019 im Millerntor-Stadion.

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Quasi-geschlossene Champions League?

Tatsächlich könnte der europäische Profifußball vor einer Zäsur stehen. Anfang Mai 2019 machten konkrete Berichte die Runde, große Klubs aus Italien und Spanien würden ab 2024 eine quasi-geschlossene, europäische Super-Liga planen. Statt der aktuellen europäischen Wettbewerbe Champions League und Europa League sollte es eine Superliga mit drei Ligen geben, zwischen denen Auf- und Abstiege möglich sind. In der obersten Liga würden 24 der insgesamt 32 Mannschaften bleiben, nur acht würden absteigen und durch neue Mannschaften ersetzt. Zeitweilig war sogar davon die Rede, diese Liga könnte ihre Spiele nicht mehr wochentags, sondern am Wochenende austragen – also an den Tagen, an denen die nationalen Ligen traditionell ihre Ligaspiele bestreiten. Die möglichen Folgen für die Bundesliga liegen auf der Hand: sie würden durch eine solche Reform einen erheblichen Teil ihrer Strahlkraft einbüßen.

Interessanterweise gibt es in Europa praktisch keine Befürworter einer derart grundlegenden Reform: Die „European Leagues“, eine Vertretung von fast 1 000 europäischen Klubs, ist dagegen. Die deutschen Bundesligisten haben sich geschlossen gegen die Pläne ausgesprochen. Und auch die Fans haben kein Interesse an einer europäischen Superliga. Das Sportmagazin kicker fragte seine Leser im Rahmen einer größeren Umfrage: „Sollte eine ‚Super League‘ die Champions League als höchsten europäischen Wettbewerb auf Sicht ablösen?“ Die Antwort war eindeutig: 93,4 % der Umfrageteilnehmer sagten „Nein“. Offenbar sind nur einige wenige europäische Spitzenklubs, die künftig noch mehr Spiele in der reformierten Europaliga garantiert haben möchten, für die Reform. Denn damit könnten sie noch höhere Einnahmen erzielen.

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Das Stimmungsbild unter den Referenten und den Konferenz-Teilnehmern war ganz ähnlich: Das jetzige System mit nationalen Ligen und übergeordneten europäischen Wettbewerben wird mehrheitlich als Erfolgsmodell eingestuft, das keine grundlegende Reform benötigt. Auch die gesunkene Spannung beim Kampf um die nationalen Meistertitel ändert nichts daran, denn es gibt verschiedene andere Möglichkeiten, das Titelrennen wieder spannender zu machen. Dazu gehört die Möglichkeit, einen Teil der Erlöse, die von der UEFA an die Champions League-Teilnehmer ausgeschüttet werden, so zu verteilen, dass auch die kleineren Klubs davon profitieren. Die weit geöffnete Erlös-Schere würde dadurch wieder etwas geschlossen.

TV-Erlöse: Die Luft wird dünn

Im nächsten Jahr werden die Medienrechte für die vier Bundesliga-Spielzeiten ab 2021/22 verkauft. Nachdem die Erlöse in den beiden letzten Verkaufsrunden jeweils regelrecht in die Höhe geschossen waren, sind die Erwartungen an die neue Vergaberunde hoch. Erfahrungen aus dem Ausland dämpfen diese hohen Erwartungen allerdings. Dort hat sich bereits angedeutet, dass das Erlöspotential bei den inländischen Übertragungsrechten allmählich an Grenzen stößt. Größere Sprünge sind vorwiegend bei den Auslandsrechten möglich.

Die Expertenrunde zum Thema TV-Rechte war sich einig, dass die Bundesliga nicht versuchen sollte, mit aller Macht den letzten Euro aus den TV-Rechten herauszuquetschen. So hat die fehlende Akzeptanz der Montagsspiele durch die Fans einmal mehr gezeigt, dass sich der Fußball in einem Spannungsfeld zwischen kommerziellen Interessen und den Interessen der Fans befindet. Da dem Fußball eine steigende gesellschaftliche Bedeutung zufällt, hätte eine ungezügelte Kommerzialisierung auch einen gesellschaftlichen Preis.

Über allem schwebt dennoch die Frage, wie die Bundesliga den Wettbewerbsnachteil gegenüber der internationalen Konkurrenz – vor allem gegenüber der Premier League – verkleinern kann. Dass dies auf dem finanziellen Spielfeld gelingt, stieß in der Expertenrunde eher auf Skepsis. Wegen der 50+1-Regel, die eine mehrheitliche Übernahme eines Klubs durch einen Investor verhindert, sind Bundesligisten für große Geldgeber weniger interessant als ausländische Klubs, die eine 50+1-Regel nicht kennen. Auch bei der Vermarktung hat die Bundesliga strukturelle Nachteile. Insbesondere die Premier League hat die Vermarktungsmöglichkeiten im Ausland früher erkannt und konsequent genutzt. Die englische Liga hat hier deswegen einen kaum aufholbaren Vorsprung. Außerdem spielen die internationalen Top-Stars mit Glamour-Faktor selten in der Bundesliga, sondern meist in England oder Spanien.

Die Bundesliga muss deshalb einen anderen Weg finden, um im internationalen Wettstreit bestehen zu können. Immer wieder fielen bei den Referenten die Stichworte Solidität und Nachhaltigkeit. Die Bundesliga sollte deshalb ihren Weg weiter gehen und versuchen, den internationalen Ruf als solideste und nachhaltigste Liga zu festigen. Etwas weniger Glamour, aber dafür mehr Beständigkeit, Verlässlichkeit und gesellschaftliche Verankerung – das könnte das Alleinstellungsmerkmal der Bundesliga sein.

Ausblick

Der gesellschaftliche und technologische Wandel geht auch am Fußball nicht vorbei. Klubs und Ligen müssen sich mit veränderten Konsumgewohnheiten arrangieren. Insbesondere jüngere Fans „konsumieren“ Fußball anders. Sie nutzen andere Medien als die älteren Fans, sie schauen die Spiele nicht mehr unbedingt in voller Länge und nicht mehr mit ungeteilter Aufmerksamkeit. Schließlich ist für sie der E-Sport eine attraktive Alternative bzw. Ergänzung zum echten Fußball. Damit ist sicher: Der Fußball bleibt ein ausgesprochen spannender Markt, dessen Wandel behutsam gestaltet werden muss.