Alle Jahre wieder: Blasenbildung am Transfermarkt?

Thomas Tuchel findet den Transfermarkt verrückt und Jürgen Klopp denkt wegen des Transfer-Wahnsinns vorsorglich schon mal über sein Karriereende nach – das war nicht jetzt gerade, das war in der Sommerpause 2016. Damals sorgten Gonzalo Higuain und Paul Pogba für mächtig Wirbel, weil sie für Ablösesummen von um die 100 Millionen Euro das Fußballunternehmen wechselten.

In der Sommerpause 2017 sagte Max Eberl im kicker-Interview über den Transfermarkt: „Das ist Wahnsinn, wie Monopoly.“ Und diese Aussage machte er, noch bevor sich der Neymar-Transfer für 222 Millionen Euro von Barcelona nach Paris konkretisierte. Seitdem sagt nicht nur Eberl, seitdem sagen eigentlich alle, der Markt sei verrückt.

Ist es eine Blase? Wenn höhere Gehalts- und Transferzahlungen durch dauerhafte Mittelzuflüsse gedeckt sind, ist es ein unkritischer Anstieg des Preisniveaus. Letztes Jahr war die Antwort auf die Blasen-Frage noch „Nein“, weil der Preissprung durch deutlich höhere TV-Verträge gerechtfertigt wurde. In diesem Jahr ist das nicht so sicher. Denn wir wissen nicht, ob die Finanzierung des Neymar-Transfers die einmalige Schnapsidee eines einzelnen Investors war oder ob andere Investoren nachziehen und der Wahnsinn zur Regel wird. Bleibt es beim Einzelfall oder passiert es nur sporadisch, dann ist die Gefahr einer Schieflage groß. Denn wenn Fußballunternehmen ihre Ausgaben (Transferzahlungen und Gehälter) auf der Illusion aufbauen, es gäbe nun regelmäßig externe Geldspritzen, wird sich die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben öffnen und die Klubs in Bedrängnis bringen.

Da Barcelona nun ernsthaft darüber nachdenkt, einen großen Teil der Neymar-Erlöse in die Verpflichtung des Dortmunder Dembele zu investieren, sollten die Alarmglocken klingen – egal wie die Dembele-Geschichte ausgeht. Die Gefahr, dass sich ein neues Preisgefüge aufgrund eines einzigen Irrsinns-Transfers herausbildet, ist groß. Ob es sich bei der neuen Ablösesummen-Dimension tatsächlich um eine Blase handelt, wird sich später zeigen. In diesem Fall passt das Diktum des ehemaligen amerikanischen Notenbankpräsidenten Alan Greenspan: Eine Blase ist erst dann eine Blase, wenn sie platzt.

Können die Fußballverbände gegensteuern? Die UEFA hat vor einigen Jahren das Financial Fairplay-Reglement eingeführt, um solche, von externen Geldgebern ausgelöste Exzesse zu verhindern. Dem Reglement zufolge sollen – verkürzt gesagt – die Fußballunternehmen nur so viel ausgeben dürfen, wie sie durch das originäre Fußballgeschäft eingenommen haben. Allerdings war von Anfang an klar, dass es eine Reihe von Umgehungsmöglichkeiten gibt und dass es zwischen den Klubs und der UEFA zum Katz-und-Maus-Spiel kommen wird, bei dem die Klubs mit ihren Tricks immer einen Schritt voraus sein werden. Die Variante, die beim Neymar-Transfer nun angewandt wird, ist ein alter Hut und aus dem amerikanischen Teamsport bekannt: Um bestehende Finanzregeln zu umgehen, erhält der Spieler ein relativ geringes, den Finanzregeln konformes Gehalt und nebenher einen üppigen privaten Werbevertrag, der naturgemäß nicht durch die Bücher der Klubs läuft. Damit wird der Geist des Financial Fairplay zwar plump verletzt, die Buchstaben des Reglements werden aber eingehalten. Juristisch dürfte es somit keine Handhabe gegen ein solches Verhalten geben. Die Spirale wird sich also weiterdrehen.

Können die Fans gegensteuern? Grundsätzlich könnten die Fans mit Liebesentzug reagieren und nicht mehr ins Stadion gehen, keine Fanartikel mehr kaufen oder den Fernseher nicht mehr einschalten. Damit wären für die Fußballunternehmen Einnahmeverluste verbunden. Allerdings: Besonders schmerzhaft wären die Verluste inzwischen nicht mehr – denn je größer das finanzielle Rad ist, das die Investoren drehen, umso weniger Bedeutung haben die Ausgaben der einzelnen Fans für Stadionbesuche etc. Da Investoren insbesondere Aufmerksamkeit suchen, müssten sich schon Fans in großer Zahl vom Fußball abwenden. Und selbst wenn dies geschähe – so unrealistisch es auch ist –, ständen in Asien Milliarden neuer Fans bereit, die diese Lücke mühelos füllen würden.

Man muss inzwischen wohl einsehen, dass die Internationalisierung des Fußballs selbst die ehemals noch geringen Einflussmöglichkeiten der Fans weiter pulverisiert hat. Keine guten Aussichten für Fußballromantiker!