„Equal Pay“ im Profifußball?

Interview mit Ass.-Prof. Dr. Florian Follert, Privatuniversität Schloss Seeburg in Seekirchen am Wallersee, Österreich.

  1. Die Fußball-EM der Frauen wirft auch Fragen abseits des Platzes auf. Die großen Verdienstunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Fußballern werden kontrovers diskutiert. Bundeskanzler Scholz forderte kürzlich bei twitter „Equal Pay“ für Nationalspielerinnen und Nationalspieler. Was sagen Sie als Sportökonom dazu? Ist die Forderung berechtigt?

Das Thema „Equal Pay“ im Sport und im Besonderen im Fußball wird schon seit längerer Zeit kontrovers diskutiert. Nachdem das deutsche Frauenteam ein so erfolgreiches Turnier spielt, keimt die Debatte erneut auf. Als Wissenschaftler ist man bestrebt, die eigene Wertung außen vorzulassen und sich auf die Erklärung gewisser Phänomene zu konzentrieren.

Betrachten wir z.B. die Ligen im Fußball, in denen private Klubs ein gemeinsames Produkt „Meisterschaft“ anbieten, das von Konsumenten nachgefragt wird: Dabei ist grundsätzlich zu bedenken, dass wir zwar sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern die Sportart „Fußball“ fokussieren, die Ligen als Ganzes und damit auch die Klubs jedoch auf völlig unterschiedlichen Märkten agieren. Führen wir uns vor Augen, dass das Gehalt einer Spielerin oder eines Spielers in der Gewinn- und Verlustrechnung eines Fußballunternehmens eine Aufwandsposition – natürlich nicht die einzige – darstellt, bedingt ein positiver Jahreserfolg logischerweise entsprechend höhere Erträge. Im Bereich des professionellen Fußballs ergeben sich die Erträge der Klubs beispielsweise aus der Vermarktung von Fernsehrechten, dem Verkauf von Merchandisingartikeln, den Prämien für das Erreichen bestimmter Wettbewerbe und den Transfererlösen. Es ist kein Geheimnis, dass z.B. in Deutschland die Nachfrage der Konsumenten nach Männerfußball deutlich höher ist als für die Spiele der Frauenbundesliga. Die Zahlungsbereitschaft der Nachfrager wirkt sich auf die Höhe des Absatzpreises aus und determiniert so die Ertragsmöglichkeiten der Klubs. Es wäre betriebswirtschaftlich nicht nachvollziehbar, auf dem Beschaffungsmarkt Preise – also Gehälter für Spielerinnen – zu zahlen, die die Erträge auf dem Absatzmarkt um ein Vielfaches übersteigen, dies würde das Sicherheitsziel des Unternehmens missachten und so den Bestand gefährden.

Wir können natürlich darüber diskutieren, warum die Nachfrage nach Frauenfußball noch immer derart gering ist. Das Spielniveau hat sich offensichtlich deutlich verbessert, was auch empirisch anhand verschiedener Leistungskennzahlen deutlich wird. Dass z.B. in puncto Geschwindigkeit noch immer eine Diskrepanz zum Männerfußball besteht, liegt in der Natur der Sache und ist durch die unterschiedlichen körperlichen Voraussetzungen erklärbar. In relativer Hinsicht hat der Frauenfußball jedoch aufgeholt. Warum die Nachfrage in der Masse dennoch nicht vorhanden ist, ist offensichtlich durch die Präferenzen der Nachfrager bedingt, die aus liberaler Sicht aber einer Autonomie der jeweiligen Menschen unterliegen.

Eine Möglichkeit, die Gehälter anzuheben, ergäbe sich möglicherweise durch kapitalstarke Investoren, die entsprechende Fehlbeträge kompensieren oder durch Sponsoren, die für zusätzliche Erträge sorgen. Offenbar verspricht der Markt jedoch potentiellen Investoren oder Sponsoren nicht den von ihnen erwarteten Nutzen. Wenn also große Unternehmen während eines großen Turniers für den Frauenfußball werben, sollten sie sich an den Kapitalbeträgen messen lassen, die sie auch in den Folgejahren in die Weiterentwicklung des Sports investieren.

 

  1. Mit Ihrer Argumentation lassen sich auch die gewaltigen Verdienstunterschiede zwischen den Sportarten gut erklären. Können Sie sich erklären, warum die Verdienstunterschiede zwischen Sportlerinnen und Sportlern immer wieder für Kontroversen sorgen, aber kaum jemand gleiche Entlohnung für alle Sportler fordert – zum Beispiel für Tennis- und Tischtennisspieler?

 In der Tat bewegen sich alle Sportarten auf unterschiedlichen Märkten, was sich natürlich auf das individuelle Absatzpotential auswirkt. Es ist nicht zu bestreiten, dass z.B. bei Olympia jede Sportlerin und jeder Sportler in der jeweiligen Disziplin Höchstleistung erbringt. Ökonomisch sollten wir jedoch der Realität ins Auge sehen, dass der Möglichkeitsraum sich von Sportart zu Sportart unterscheidet. Wenn jemand argumentiert, dass eine Tischtennisspielerin ein Preisgeld wie eine Wimbledonsiegerin erhalten sollte, frage ich, ob die Person bereit wäre, mehr als 250 Euro für ein Finalticket im Tischtennis zu bezahlen. Es ist erstaunlich, dass sich Konsumenten so selten bewusst sind, dass sie mit ihrer Nachfrage eine Souveränität haben, die viele Entwicklungen determiniert.

Unterschiedliche Märkte können einerseits durch das Geschlecht oder den Sport, aber auch durch den örtlichen Aspekt bzw. die kulturhistorische Prägung bedingt sein. Ich lese selten Kritik daran, dass ein Footballspieler in der NFL – dies gilt ebenso für Eishockey, Baseball und Basketball – deutlich mehr verdient als ein Spieler in Deutschland oder dass man als Sumoringer hierzulande einen anderen gesellschaftlichen Status hat als in Japan.

 

  1. Letztlich sind die Verdienstunterschiede also nicht in erster Linie ein Ausdruck von Diskriminierungen, sondern die kontroversen Diskussionen resultieren – salopp gesagt – daraus, dass man Äpfel mit Birnen vergleicht?

In den genannten Bereichen gibt es zumindest naheliegende ökonomische und betriebswirtschaftliche Erklärungen für den Unterschied in den Verdienstmöglichkeiten. Angebot und Nachfrage determinieren hier den Preis, einerseits auf den Absatzmärkten und andererseits auf dem Humankapitalmarkt. Auch die Fähigkeit, mit einem Produkt entsprechende Nachfrage zu generieren, kann dem Leistungsbegriff subsumiert werden, sodass zumindest in diesem Bereich tendenziell auch ein relativer Leistungsunterschied besteht, ohne dass man dazu das Argument der relativen Leistungsgleichheit im sportlichen Bereich anführen müsste. Dies sind jedoch Erklärungsansätze, die das betrachtete Phänomen auf ökonomische Erwägungen zurückführen, normative Fragen jedoch ausblenden, da dies nicht den Aufgabenbereich der Wissenschaft betrifft.

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Ass.-Prof. Dr. Florian Follert ist Assistant Professor für Unternehmensrechnung und Sportökonomik an der Fakultät für Management der Privatuniversität Schloss Seeburg in Seekirchen am Wallersee, Österreich. Er ist Autor einer Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen im Bereich der ökonomischen Analyse des Sports. In seiner Forschung beschäftigt er sich unter anderem mit Fragen der Wert- und Preisfindung im Profifußball.