„Spanische Verhältnisse“ in der Bundesliga – braucht der Fußball „Financial Fairplay“?

Von: Prof. Dr. Henning Vöpel

Mit Bayern München und Borussia Dortmund stehen in diesem Jahr erstmals zwei deutsche Vereine im Finale der Champions League – ein großer Erfolg für den deutschen Fußball und die Bundesliga. Doch nicht zufällig wird gleichzeitig eine Diskussion über „spanische Verhältnisse“ in der Bundesliga geführt: Werden Bayern und Dortmund – ­ähnlich wie Barcelona und Madrid in Spanien – auf Jahre hinaus die Meisterschaft unter sich ausmachen – und die Bundesliga dadurch langweilig? Schon in dieser Saison war die Meisterschaft in der Bundesliga früh entschieden und das Niveau hinter Bayern und Dortmund eher schwach. Stehen Ausgeglichenheit der nationalen Liga und Wettbewerbsfähigkeit in internationalen Wettbewerben in einem Zielkonflikt zueinander?

Im Fußball gibt es, angelegt in der Art des Wettbewerbs, eine starke Tendenz zur Monopolisierung: Wer erfolgreich ist, bekommt mehr Geld. Mit diesem Geld wird weiter in die Mannschaft investiert, wodurch der Abstand zur Konkurrenz wächst. Das mag für den einzelnen Verein erstrebenswert sein, für den Fußball insgesamt ist es das nicht. Die Liga droht langweilig zu werden und die kommerzielle Grundlage des Profifußballs zu erodieren. Und es gibt weitere, sich selbst verstärkende Mechanismen, die zu Konzentration und Marktmacht beitragen: Die Leistung eines Spielers hängt positiv von der Qualität seiner Mitspieler ab. Ein guter Stürmer ist erst richtig effektiv, wenn er mit einem guten Mittelfeldspieler eingesetzt wird. Bessere Mannschaften können aus diesem Grund für gute Spieler mehr Geld zahlen als schlechtere Teams. Wer Geld hat, kann zudem länger abwarten, wie sich ein Talent bei anderen Vereinen entwickelt und auf diese Weise das Transferrisiko und die Wahrscheinlichkeit von Fehleinkäufen reduzieren. Schließlich befinden sich viele Vereine, wie derzeit in Freiburg zu beobachten ist, in einer Art „Erfolgsfalle“: Nach einem überraschenden Erfolg steigt der Marktwert der Spieler oft stärker als die Einnahmen. Die Spieler sind nicht refinanzierbar und verlassen den Verein, der daraufhin wieder in den anfänglichen Zustand zurückfällt. Um dieser Falle zu entkommen, ist es fast schon notwendig, sich für die Europa League oder besser noch für die Champions League zu qualifizieren. Da dies aus eigener Kraft schon nicht mehr zu schaffen ist, verschulden sich die Vereine oder suchen sich Investoren, um in diesem „Rattenrennen“ zu bestehen. Doch diese Rechnung kann nicht für alle aufgehen. Die Folge: Viele Vereine sind hoch verschuldet oder begeben sich in die finanzielle Abhängigkeit von Investoren.

Die UEFA sieht durch diese Entwicklung die „Integrität und die Finanzstabilität des Fußballs“ gefährdet und hat mit der Saison 2013/14 das „Financial Fairplay“ eingeführt. Vereine dürfen nur noch so viel ausgeben, wie sie aus dem operativen Fußballgeschäft – also ohne Investoren – einnehmen. Als konkrete Ziele des Financial Fairplay sollen die Verschuldung der Vereine gestoppt, der Anstieg der Spielergehälter begrenzt und der Einfluss von Investoren im Fußball zurückgedrängt werden. Doch sind diese Ziele der UEFA ökonomisch gerechtfertigt? Und ist das „Financial Fairplay“ wirklich fair?

Ökonomisch betrachtet gibt es keinen Grund, die Spielergehälter zu begrenzen. Spieler mit Fähigkeiten, die den Unterschied ausmachen und ein Spiel entscheiden können, sind naturgemäß knapp. Ein Spiel zu verlieren oder zu gewinnen, kann schon mal den Unterschied von einigen Millionen Euro ausmachen. Aufgrund ihrer Verhandlungsmacht sind diese Spieler in der Lage, fast das gesamte Erlöswachstum im Fußball als Knappheitsrente zu sich umzulenken. Was die Verschuldung im Fußball betrifft, so besteht ebenfalls kein regulatorischer Handlungsbedarf. Insolvente Vereine werden durch finanziell solidere Vereine ersetzt. Bislang ist unsolides Wirtschaften in den Vereinen eher ein Problem des Corporate Governance und der internen Anreiz- und Kontrollmechanismen. Für den Fußball insgesamt geht von der Verschuldung einzelner Vereine auch kein systemisches Risiko aus – auch dann nicht, wenn der Anstieg der Spielergehälter schuldenfinanziert ist und die plötzliche Insolvenz von Vereinen zu einem Ausfall von Gehaltszahlungen führen würde. Denn vermutlich würden alle Spieler auch für deutlich weniger Geld immer noch Fußball spielen. Ein geordneter Spielbetrieb ohne Insolvenzfall mitten in der Saison lässt sich indes schon mit der bestehenden Lizenzierung gewährleisten. Schließlich will die UEFA mit dem Financial Fairplay den Einfluss von Investoren begrenzen, um die Integrität des Fußballs zu schützen und einen fairen Wettbewerb zwischen den Vereinen zu gewährleisten. Denn der zunehmende Einfluss von Investoren hat zu einem schnellen Aufstieg von einigen potenten Vereinen und gleichzeitig zu einem gewissen Unmut bei den Fans geführt, Erfolg sei käuflich.

Die Verschuldung von Vereinen zu begrenzen und gleichzeitig die Finanzierung durch Investoren zu verbieten, um die Integrität und die Finanzstabilität des Fußballs zu schützen, hat jedoch gefährliche Nebenwirkungen. Die Ausgaben der Vereine auf die Höhe ihrer fußballbezogenen Einnahmen zu begrenzen, wirkt wie eine Markteintrittsbarriere für kleinere Vereine, schützt die etablierten Clubs vor Wettbewerb und zementiert so die bestehende Hierarchie im Fußball. Financial Fairplay nimmt den schwächeren Vereinen die Möglichkeit, über eine temporäre Verschuldung in ihren sportlichen Erfolg zu investieren. Wenn die Ausgaben auf die Höhe der Einnahmen aus dem operativen Fußballgeschäft beschränkt sind, fehlen den kleineren Vereinen buchstäblich die Mittel, zu den größeren Vereinen aufzuschließen. Mit den hunderten Millionen Euro, die von der UEFA an die Teilnehmer europäischer Wettbewerbe ausgeschüttet werden, vergrößert sich der Abstand zwischen den reichen und den armen Clubs so sehr, dass unter den Bedingungen des Financial Fairplay nicht einmal mehr hervorragende Nachwuchsarbeit, exzellentes Management und innovative Geschäftsmodelle ausreichen, um nach oben zu kommen. Die hohe Ungleichverteilung der Einnahmen in Verbindung mit dem Financial Fairplay stellt eine Beschränkung und keine Sicherung des Wettbewerbs dar und ist aus diesem Grund eben nicht „fair“.

So verständlich und sinnvoll die Ziele der UEFA sein mögen, ­– mit dem Financial Fairplay werden die bestehenden Ungleichgewichte im nationalen und europäischen Fußball sogar noch verschärft. Neben dem Financial Fairplay wird ein ergänzend ein zweites Instrument benötigt, um die Chancengleichheit wieder herzustellen: eine umfassende Umverteilung der Einnahmen zwischen den Vereinen, die nicht nur die Einnahmen aus der TV-Vermarktung, sondern auch jene aus dem Merchandising und dem Sponsoring umfasst. Es ist offenkundig, dass Eintracht Frankfurt mit einem Spieleretat von 30 Millionen Euro gegenüber Bayern München mit rund 150 Millionen Euro kaum je eine Chance haben wird, die sogar noch wachsende Lücke zu schließen. Eine stärkere Umverteilung der Erlöse wirft jedoch die Frage auf, wie dies in offenen Ligen mit Auf- und Abstieg und zwischen den nationalen Ligen in Europa mit sehr unterschiedlichem Marktpotenzial praktiziert werden soll. Es ist anzunehmen, dass eine solche Umverteilung kaum gegen den Widerstand der großen Vereine durchsetzbar sein wird. Gerade Bayern München ist mit dem Financial Fairplay doppelter Gewinner: Auf europäischer Ebene wird die Wettbewerbsfähigkeit zunehmen und in der Bundesliga die nationale Dominanz noch größer. Es überrascht nicht, dass zu den größten Befürwortern des Financial Fairplay jene Clubs gehören, die sich zurzeit an der Spitze des europäischen Fußballs befinden, denn es schützt ihre Position.

Die Argumentation der UEFA ist vor diesem Hintergrund scheinheilig: Man kann nicht die Integrität und die Finanzstabilität des Fußballs schützen wollen und gleichzeitig maßgeblich selbst durch die Milliardenausschüttung in der Champions League das „Rattenrennen“ verschärfen und Anreize für Verschuldung und Finanzexzesse setzen.