Protektionismus: Bald auch wieder im Fußball?

Von: Prof. Dr. Norbert Berthold, Universität Würzburg

Ein Irrtum ist offensichtlich, Globalisierung ist kein Selbstläufer. Vom Ende der Geschichte kann keine Rede sein. Die Märkte sind weltweit nicht nachhaltig offen. In wirtschaftlich ungemütlicheren Zeiten geraten sie immer wieder unter Druck der Interessengruppen. Die versuchen überall, die Zeit zurückzudrehen. Ihre Mittel sind nicht marktkonform, sie setzen auf Intervention und Protektion. Und sie finden bei der Politik immer öfter Gehör. Das gilt nicht nur für das normale Leben, es trifft auch auf den Fußball zu.

Mit dem „Bosman-Urteil“ wurden am 15. Dezember 1995 die Weichen für den europäischen Fußball neu gestellt. Seit über 10 Jahren gilt auch auf den Spielermärkten der EU die volle Freizügigkeit. Das wollen der Weltfußballverband FIFA und die Vereinigung der Profifußballer FIFPro nun ändern. Am 2. November 2006 einigten sie sich auf die sogenannte „6+5-Regel“. Zukünftig müssten in jeder Mannschaft mindestens 6 Spieler stehen, die für die heimische Nationalmannschaft spielberechtigt sind.

Das wäre ein Rückfall in Zeiten strikt protektionistisch geschützter nationaler Fußballmärkte. Zwar schirmen nationale Monopolligen noch immer die Spielemärkte in Europa ab. Europäische Wettbewerbe öffnen sie einen Spalt. Mit der „6+5-Regel“ würden aber auch die Spielermärkte wieder stärker national abgeschottet. „Bosman“ wäre Vergangenheit, die Freizügigkeit der Kicker würde eingeschränkt. Viele sehen das positiv, sind sie doch der Meinung, offene Spielermärkte hätten zu sportlich unausgeglicheneren nationalen Ligen geführt.

Tatsächlich sind die europäischen Spitzenligen seit „Bosman“ sportlich nicht unausgeglichener geworden. Das gilt für einzelvermarktete Ligen, wie die italienische und spanische. Es trifft aber auch für zentralvermarktete, wie die englische und deutsche zu. Und es gilt in der Spitze wie auf den Abstiegsrängen. Das muss allerdings nicht so bleiben. Die bestehenden finanziellen Ungleichheiten können sich in sportliche transformieren. Mit dem Ausländeranteil in den Ligen hat das aber nichts zu tun.

Ein Teil der finanziellen Ungleichheit in der Bundesliga ist „hausgemacht“. Nicht alle Vereine werden gut geführt, oft ist das Management amateurhaft, Kapitalmärkte werden nicht effizient genutzt, auf den Absatzmärkten sind nur wenige richtig positioniert. Wahr ist aber auch, die europäischen Wettbewerbe verstärken die finanzielle Schieflage zuhause. Champions League und UEFA-Cup sind nur für die Teilnehmer wie eine Lizenz zum Gelddrucken. Da ist nicht ausgeschlossen, dass in der Bundesliga die finanzielle Ungleichheit wächst.

Und noch etwas wird ausländischen Kickern angelastet: der sportliche Abstieg der Bundesliga. Franz Beckenbauer, die Lichtgestalt des deutschen Fußballs, ist mit dieser Meinung nicht allein, aber er irrt. Kommen die „richtigen“ Spieler, wird die Bundesliga besser. Deutsche Kicker profitieren von ausländischen, ausländische Stars lernen von heimischen. Erst offene Spielermärkte machen diesen Sprung in der Qualität von Spieler und Ligen möglich. Es ist kein Zufall, dass die europäischen Spitzenligen nach „Bosman“ besser geworden sind. Das gilt nicht für die Bundesliga.

Ein Blick auf die besseren europäischen Spitzenligen mit hohen Ausländeranteilen zeigt, in Deutschland spielen nicht zu viele Ausländer, hier kicken nur die „falschen“. Für ausländische Spitzenspieler ist die Bundesliga nicht mehr erste Wahl. Das gilt für das Gehalt und die Qualität. Die Gründe sind vielfältig. Finanziell sind deutsche Vereine international nicht wettbewerbsfähig, es wird zu viel umverteilt, von den eigenen Anstrengungen bleibt den Vereinen zu wenig, der Nachwuchs ist nur noch zweite Wahl.

Damit aber nicht genug. Die Meinung ist weitverbreitet, auch der Niedergang der Nationalmannschaft gehe auf das Konto ausländischer Kicker. Bei voller Freizügigkeit greifen die Vereine oft auf billigere und bessere ausländische Spieler zurück. Unerfahrene einheimische Spieler erhalten weniger Einsatzzeiten, sie können weniger Erfahrungen sammeln. Der enge Flaschenhals durch den Nachwuchsspieler müssen, wenn sie nach oben wollen, wird noch enger. Da nehme es nicht wunder, wenn der einheimische wettbewerbsfähige Nachwuchs fehle.

Mit offenen Spielermärkten in Europa ist der Konkurrenz unter den Kickern größer geworden. Von den vielen Talenten kommen nur noch die allerbesten durch. Der intensivere Wettbewerb hebt das spielerische Niveau. Auch im Fußball gilt, wettbewerbsfähig wird man nur im Wettbewerb. Ein Artenschutz für einheimische Spieler würde zwar den Anteil inländischer Kicker in den Vereinen erhöhen. Aber weder die Vereine noch die Nationalmannschaft würden international wettbewerbsfähiger.

Letztlich entscheiden die Fans über die Zukunft ihrer Nationalmannschaft. Noch sind ihnen Punkte für ihre Vereine wichtiger als der Einsatz deutscher Spieler. Darauf deutet die positive Entwicklung der Zuschauerzahlen seit „Bosman“ hin. Damit haben aber die Vereine nur wenig Anreize, in kritischen Situationen unerfahrene deutsche Spieler einzusetzen. Das Verbot der Ablöse verstärkt diese Entwicklung noch. Die Anreize sinken, in Nachwuchs zu investieren. Ausländerklauseln ändern daran nichts.

Mit diesem Problem sind alle großen europäischen Fußballnationen konfrontiert. Wegen hoher Opportunitätskosten entscheiden sich in reichen Ländern immer mehr Talente gegen den Sport als Beruf. Das ist in armen Ländern anders. Oft ist dort Sport die einzige Möglichkeit aufzusteigen. Die Talente wurden künftig noch öfter aus Afrika und Lateinamerika kommen. Diese Spieler werden in europäischen Vereine spielen und sich verbessern, zum eigenen Wohl und dem ihrer Nationalmannschaften.

Europäische Nationalteams geraten auf die Verliererstrasse, afrikanische und lateinamerikanische gewinnen. Mit Ausländerklauseln würde die FIFA, den fußballerischen Aufholprozess dieser Länder behindern. Faktisch greift ein weltweit strikter Quotenfußball nur in den europäischen Topligen. Er schadet allerdings dem Fußball weltweit. Besonders betroffen sind nicht-europäische Spitzenspieler, die nicht mehr alle in den besten Ligen spielen können. Damit leiden auch deren Nationalmannschaften.

Dass die FIFPro auf Ausländerklauseln setzt, entspricht der Logik des Protektionismus. Die Profifußballer sind vor allem in europäischen Spitzenligen gewerkschaftlich organisiert. Ausländerklauseln sind ein Versuch, sich vor ausländischer Konkurrenz zu schützen. Das käme vor allem den mittelmäßigen Spielern in den reichen Ländern zugute. Die Nachfrage nach ihnen stiege, ihre Gehälter nähmen zu. Leidtragende wären die Fans, die nur noch mittelklassigen Fußball zu sehen bekämen.

Die adäquate Antwort auf die sportliche Globalisierung ist eine kontrolliert offensive. Wettbewerbsfähig wird man im Fußball wie im richtigen Leben nur im Wettbewerb. Im harten fußballerischen Konkurrenzkampf besteht nur, wer effizient in Humankapital investiert. Die Fans entscheiden, ob die Nationalteams „großer“ Fußballnationen wettbewerbsfähig bleiben. Sicher ist allerdings, eine protektionistische Strategie kommt alle teuer zu stehen. Glücklicherweise schiebt der Europäische Gerichtshof dem „6+5-Protektionismus“ in Europa (noch) einen Riegel vor.

 

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