Von: Prof. Dr. Justus Haucap, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Erlangen-Nürnberg und Mitglied der Monopolkommission
„Fußball-Mafia DFB“ lautet ein wenig schmeichelhafter Fangesang, der in deutschen Stadien ertönt, wenn Fußballfans mit Entscheidungen des Deutschen Fußballbundes (DFB) (und auch der Deutschen Fußball-Liga, DFL) unzufrieden sind, die über die Köpfe der Fans hinweg getroffen werden (z.B. die Ansetzung von Spielen der Zweiten Bundesliga am Montagabend). Nun sind Fußballfans nicht gerade für ihre nüchterne und gemäßigte Ausdrucksweise bekannt, doch ein leichtes Unbehagen lässt sich dieser Tage auch bei weniger emotionalen Beobachtern nicht ganz vermeiden, wenn man das Gebaren von DFB und DFL gegenüber dem Bundeskartellamt betrachtet. Letzteres ermittelt gerade (einmal wieder) gegen DFB und DFL.
Untersucht wird vom Kartellamt zum einen die Frage, ob DFB und DFL ein Kartell zu Lasten von Sponsoren gebildet haben. Zum anderen steht die Frage der Zentralvermarktung der Fernsehrechte wieder einmal auf dem Prüfstand. Traditionell werden nämlich die Fernsehrechte an Fußballspielen nicht dezentral von den Vereinen vermarktet, sondern zentral durch die DFL, welche die Erlöse dann unter den Fußballclubs aufteilt. Des Weiteren prüft das Kartellamt, ob das von DFL und Leo Kirch (bzw. seiner Agentur Sirius) geplante Vorhaben, nur fertig produziertes Sendematerial an Bezahlsender und Kabelnetzbetreiber zu verkaufen, zu einer Monopolisierung weiterer Teile der Wertschöpfungskette führt.
Was im Rahmen dieser Untersuchungen bedenklich stimmt, sind Einmischungsversuche von Politkern wie Bundesinnenminister Schäuble, die bis dato nicht durch ein besonderes Interesse in Fragen der Wettbewerbspolitik hervorgetreten sind. Wie die FAZ berichtet hat, hatte DFB-Präsident Theo Zwanziger in Gesprächen mit dem Präsidenten des Kartellamtes, Bernhard Heitzer, Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos versucht, Einfluss auf die Entscheidung des Kartellamts zu nehmen. Schäuble hat darauf hin, seiner „100-prozentigen Übereinstimmung“ mit dem DFB Ausdruck verliehen und geäußert, dass „wir auch unter den Bedingungen des europäischen Binnenmarktes nicht alle Lebensbereiche, speziell den Sport und den Fußball, nur nach den Gesetzen von Markt und Wettbewerb regulieren sollten.“
Nachdem der Präsident des Bundeskartellamtes den für die Verfahren zuständigen Berichterstatter dann im April in eine andere Abteilung versetzen wollte – wenn auch nach Auskunft des Bundeskartellamtes aus anderen Gründen – befürchteten die Mitarbeiter des Bundeskartellamtes anscheinend eine so starke politische Einflussnahme, dass sie die Unabhängigkeit des Bundeskartellamtes gefährdet sahen und den Vorgang in einem öffentlichen Brief bekannt machten.
Diese Vorgänge sollen hier mangels Detailkenntnis nicht kommentiert werden. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass es nichts Neues ist, dass DFB und DFL aus Angst vor Wettbewerb ihren politischen Einfluss geltend machen und politischen Schutz suchen: Nachdem das Bundeskartellamt 1994 die Zentralvermarktung der Fernsehrechte für UEFA-Pokalspiele deutscher Mannschaften untersagte und der Bundesgerichtshof diesen Beschluss später bestätigte, wurde diese Praxis zwar für UEFA-Pokalspiele abgestellt, vor allem aber wurde das Kartellrecht dann 1998 so geändert, dass der Sport vom deutschen Kartellrecht ausgenommen wurde. Der damals zuständige EU-Wettbewerbskommissar Karel van Miert hat daraufhin zwar nicht von einer „Fußball-Mafia DFB“ gesprochen, fand die Vorgehensweise jedoch in seinen Memoiren „für einen Rechtsstaat ziemlich bedenklich“. Für einen ehemaligen EU-Kommissar ist das schon eine recht starke Aussage.
Diese Vorgänge waren zwar für Ordnungspolitiker höchst unerfreulich, doch „nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, sagte schon Sepp Herberger. Nachdem der Sport 1998 durch die 6. Kartellrechtsnovelle von der Wettbewerbsaufsicht befreit wurde, kam er 2005 durch die 7. Kartellrechtsnovelle wieder hinein, da im Zuge der Europäisierung des Kartellrechts fast sämtliche Ausnahmebereiche gestrichen wurden. Der Ball ist daher wieder beim Bundeskartellamt gelandet.
Was versetzt DFB und DFL nun so in Angst und Schrecken, dass anscheinend (wenn man der FAZ glauben darf) alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um das Kartellamt auszubremsen? Ökonomisch gesehen ist der Kern des Problems, dass es mit Hilfe der Zentralvermarktung der Fernsehrechte zu einer Monopolisierung des Pay-TV-Marktes kommt. Durch die Monopolisierung des Pay-TV-Marktes entstehen dort Monopolrenten, die sich DFL und Kirch dann aufteilen können. Ein Ende der Zentralvermarktung wäre wohl auch das Ende des Pay-TV-Monopols für Live-Übertragungen der Fußballbundesliga.
Eine solche Monopolisierung ist heute möglich, da bei einer Zentralvermarktung nur starke Medienkonzerne die Finanzkraft haben, die Fußballrechte als Gesamtpaket zu kaufen und zugleich eine entsprechende Distributionsstruktur aufzubauen. Der gescheiterte Versuch von arena im letzten Jahr verdeutlicht dies. Zugleich sind Fußballrechte jedoch von entscheidender Bedeutung, um einen Pay-TV-Sender zu etablieren und auch, um im Free-TV erfolgreich zu konkurrieren.
Leidtragende der Zentralvermarktung sind vor allem die Fußballfans und Fernsehzuschauer. Durch die Monopolisierung werden zum einen weniger Fußballspiele im Free-TV gezeigt als bei dezentraler Vermarktung, zum anderen sind die Preise im Pay-TV höher als notwendig. Bei einer dezentralen Vermarktung der Spiele durch die Vereine selbst würden die Vereine nämlich viel stärker als DFB und DFL berücksichtigen, dass Sponsorengelder und Erlöse aus Banden- und Trikotwerbung auch davon abhängen, wie viele Zuschauer ein Spiel im Fernsehen ansehen könnten. Das Interesse der Vereine an einer Übertragung im Free-TV oder zu günstigen Preisen im Pay-TV ist daher ungleich höher. Durch die Zentralvermarktung hingegen wird vor allem eine Monopolisierung des Pay-TV-Marktes bewirkt, welche die Preise für Pay-TV künstlich nach oben treibt.
Alle Argumente, dass die Zentralvermarktung notwendig sei, um mittels eines finanziellen Ausgleichs die Attraktivität der Bundesliga zu steigern und/oder Amateur- und Jugendsport zu fördern, sind schlichtweg Unsinn und nichts als Ablenkungsmanöver und Augenwischerei. Die Zentralvermarktung hat mit einem Finanzausgleich zwischen den Vereinen – ob notwendig oder nicht sei hier dahin gestellt – eigentlich nichts zu tun. Ein Finanzausgleich zwischen den Vereinen kann auf unzählige Arten organisiert werden, die zentrale Vermarktung der Fernsehrechte ist dazu ebenso wenig notwendig wie eine zentrale Vermarktung von Merchandising-Artikeln, eine zentrale Vermarktung von Banden- und Trikotwerbung oder eine zentraler Verkauf von Eintrittskarten. Wenn ein solidarischer Finanzausgleich gewünscht ist, um die Ungleichheit zwischen den Vereinen auch im Sinne des sportlichen Wettbewerbs zu begrenzen und die Attraktivität der Bundesliga zu erhalten, wäre die einfachste und am wenigsten wettbewerbsschädliche Option entweder eine Umlage (eine Art prozentuale DFB-Solidaritätsabgabe) auf sämtliche Einnahmen eines Vereins (also auf alle Erlöse aus Fernsehrechten, Sponsoring, Trikotwerbung, Ticketverkauf, etc.) oder alternativ eine Umlage auf sämtliche Ausgaben eines Vereins (incl. der Ausgaben für Spielertransfers, -gehälter und -prämien) zu erheben. Die reichen Vereine werden ja nicht primär durch die Fernsehrechte immer reicher, sondern auch durch ihr Merchandising, ihre höheren Einnahmen aus Trikot- und Bandenwerbung, ihre Einnahmen aus Ticket-Verkäufen, etc. Dies zeigt schon, wie abenteuerlich die Argumentation ist, gerade die Vergabe der Fernsehrechte müsste zwangsweise monopolisiert werden. Das Bundeskartellamt hatte übrigens die Berechtigung eines Erlösausgleichs unter den Vereinen nicht nur nicht bestritten, sondern nach Angaben des ehemaligen Kartellamtspräsidenten Dieter Wolf sogar in Gesprächen mit dem DFB ausdrücklich anerkannt. Und in der Tat hatten sich die Vereine nach dem o.g. BGH-Urteil freiwillig auf die Einrichtung eines Fonds geeinigt, in den sie 30% ihrer dezentral erwirtschafteten Erlöse aus Fernsehübertragungen einzahlen würden, um dies auf andere Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga aufzuteilen. Dies allein zeigt, dass eine Zentralvermarktung überflüssig ist.
Der ehemalige Präsident des Bundeskartellamtes, Dieter Wolf, hat im Jahr 2000 auch das Resümee gezogen, dass „die Zentralvermarktung nicht nur den Sport und seine Fans schädigt, sondern darüber weit hinausgehend die ohnehin hochgefährdete Wettbewerbsstruktur im Fernsehen und damit die Meinungsvielfalt.“ An dieser Wahrheit hat sich auch acht Jahre später noch nichts geändert; ihr ist im Grunde nichts hinzuzufügen.